1. Kann ich zu Hause bleiben, wenn ich Angst habe, mich mit dem Coronavirus anzustecken?
Einfach zu Hause zu bleiben ist nicht möglich. Wer der Arbeit fernbleiben will, braucht eine Krankschreibung. Ganz ohne gesundheitliche Gründe und Symptome und lediglich wegen der Angst vor einer Ansteckung die Arbeit liegenzulassen, ist also nicht drin.
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Wenn es im Unternehmen die Möglichkeit für Home-Office gibt, kann man in Absprache mit dem Arbeitgeber vielleicht aushandeln, die nächste Zeit von daheim aus zu arbeiten. Hier muss der Arbeitgeber aber ausdrücklich einwilligen. Vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales heißt es:
Ein gesetzlicher Anspruch, von zu Hause aus zu arbeiten, besteht nicht. Arbeitnehmer können dies jedoch mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren. Die Option kann sich zudem aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben.
2. Darf ich zu Hause bleiben, wenn Kollegen husten?
Stellen wir uns mal vor, bei jedem Husten der Kollegen dürfen wir blau machen: Das wäre ein riesiges wirtschaftliches Problem. Schließlich erkranken jährlich sehr viele Menschen an der an der Grippe – und die ist auch nicht ungefährlich. „Ein allgemeines Recht des Arbeitnehmers, bei Ausbruch einer Erkrankungswelle wie COVID-19 der Arbeit fernzubleiben, gibt es nicht“, heißt es vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales hierzu. „Für das Eingreifen eines Leistungsverweigerungsrechts wäre es erforderlich, dass ihm die Erbringung seiner Arbeitsleistung unzumutbar ist (§ 275 Abs. 3 BGB).“
Eine Unzumutbarkeit ist gesetzlich dann gegeben, wenn die Arbeit eine erhebliche (objektive!) Gefahr oder zumindest einen ernsthaften (objektiv!) begründeten Verdacht der Gefährdung für Leib oder Gesundheit darstellt. Dazu zählt das Husten der Kollegen nicht.
3. Muss am Arbeitsplatz Desinfektionsmittel bereitstehen?
„Derzeit besteht eine solche Pflicht nicht. Er handelt aber in eigenem Interesse, mögliche Übertragungswege einzudämmen“, sagt die IG Metall.
Es ist also – wie bei vielen Dingen am Arbeitsplatz – ein guter Tipp, mal mit dem Chef zu sprechen und ihm zu erklären, weshalb man bestimmte Dinge braucht oder sich damit wohler fühlt. Das kann sich auch durch einen regen Kundenkontakt erklären – also ganz rationale Gründe, über die man sicher diskutieren kann. Es ist also nicht immer nur eine Frage des Rechts, manchmal ist es empfehlenswert, konstruktiv miteinander ins Gespräch zu kommen und anzuregen, dass Desinfektionsmittel bereitgestellt wird.
4. Kann der Arbeitgeber mich heimschicken, wenn ich krank bin?
Auch wenn es kein COVID-19 ist: Der Arbeitgeber muss bei einer Arbeitsunfähigkeit immer gewährleisten, dass der Mitarbeiter nach Hause kommt.
Bei einer ansteckenden Krankheit – und das ist auch zum Beispiel eine fette Grippe – ergibt sich das auch aus der Fürsorgepflicht den gesunden Mitarbeitern gegenüber, denn die sollen ja nicht auch krank werden.
5. Kann der Arbeitgeber Überstunden anordnen, wenn viele Mitarbeiter ausfallen?
Nicht vergessen: Bei einer Grippewelle passiert es auch mal, dass viele Kollegen gleichzeitig krank sind. „Überstunden können nur mit Zustimmung des Betriebsrats – und wo dieser fehlt – nur mit Zustimmung der oder des Beschäftigten angeordnet werden, wenn sich die Ableistung nicht aus dem Arbeitsvertrag ergibt“, sagt die Gewerkschaft IG Metall.
Eine Verpflichtung, dass der Arbeitnehmer Überstunden ableistet, gäbe es nur, „wenn nach den Grundsätzen von Treu und Glauben eine Rücksichtnahme des Arbeitnehmers erwartet werden kann.“ Vorsicht außerdem auch bei der Abrechnung: „Da Überstunden nur nach Tarifvertrag zuschlagspflichtig sind, sollte außerhalb einer Geltung des Tarifvertrags der Zuschlag gesondert vereinbart werden.“
6. Kann ich zum Home-Office gezwungen werden?
Ganz einfache Antwort von Rechtsanwalt Christoph Vollbrecht: Nein. „Eine Home-Office-Vereinbarung ist immer eine Vereinbarung, die einvernehmlich getroffen werden muss. Es gibt allerdings auch Branchen, wo im Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung Home-Office vorgesehen ist, aber: Der Arbeitgeber kann auf gar keinen Fall ohne rechtliche Grundlage den Arbeitnehmer zwingen, ins Home-Office zu gehen.“
7. Kann ich auf Home-Office bestehen?
„Grundsätzlich ist es so, dass wenn Home-Office in einem bestimmten Umfang vereinbart ist, der Arbeitnehmer auch einen Anspruch darauf hat“, erklärt Christoph Vollbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht, in der SWR3-Vormittagsshow. Unter Arbeitsrechtlern werde derzeit sogar diskutiert, ob Arbeitgeber nicht sogar verpflichtet werden können, wenn die Möglichkeit bestehe, im Home-Office alles erledigen zu können.
8. Kann es sein, dass ich in Kurzarbeit muss wegen des Coronavirus?
Die Bundesagentur für Arbeit hält es für möglich, dass bestimmte Unternehmen Kurzarbeit anordnen und es dadurch zu Entgeltausfällen kommt. Das könne eintreffen, wenn aufgrund des Coronavirus Lieferungen ausbleiben und dadurch die Arbeitszeit verringert werden muss. Es ist ebenso denkbar, dass staatliche Schutzmaßnahmen bedingen, dass der Betrieb vorübergehend geschlossen wird.
Dann könnten betroffene Beschäftigte Kurzarbeitergeld erhalten. Diese Leistung muss vom Arbeitgeber beantragt werden. Bundesagentur für Arbeit
9. Darf der Arbeitgeber in der Probezeit kündigen?
SWR3-Hörer Alex aus Landau hat uns gefragt, ob seine Freundin, die gerade erst in einem Fitnessstudio angefangen hat, in ihrer Probezeit wegen der Schließungen und der besonderen Umstände, jetzt gekündigt werden kann. Arbeitsrechtler Vollbrecht vermutet: „Ja, da steht eine Kündigung im Raum. Wenn sich Mitarbeiter in der Probezeit befinden, dann dauert das Arbeitsverhältnis noch keine sechs Monate und das Kündigungsschutzgesetz gilt dann noch nicht. In der Probezeit kann der Arbeitgeber ohne Grund mit einer Frist von 14 Tagen kündigen.“
10. Der Arbeitgeber schließt wegen des Virus. Muss ich Zwangsurlaub nehmen?
Wenn wegen des Coronavirus geschlossen werden muss, gibt es keinen Zwangsurlaub. Rechtsanwalt Christian Solmecke: „In diesem Fall muss kein Zwangsurlaub genommen werden, denn wenn der Arbeitgeber von sich aus den Betrieb schließt und Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheinen können, befindet sich der Arbeitgeber in Annahmeverzug.“ Das heißt: Der Arbeitnehmer ist nicht krank, könnte und würde gerne arbeiten – der Arbeitgeber kann ihm das aber nicht ermöglichen. Es ist nicht Schuld des Mitarbeiters, sondern das Unternehmen kommt quasi „in Verzug, das Arbeitsangebot anzunehmen.“ Die ausfallenden Tage sind kein Urlaub und auch kein Überstundenabbau.
Allerdings kann das Unternehmen verlangen, dass die Arbeitnehmer Home-Office machen, wenn dies möglich ist.
11. Wer kommt für die wirtschaftlichen Schäden auf, die dem Arbeitgeber entstehen?
Da sind bisher noch die größten Unsicherheiten. SWR-Wirtschaftsexperte Alexander Winkler erklärt, was gilt: „Firmen, die die Arbeitszeit verringern müssen, weil Lieferungen ausfallen, können Kurzarbeit beantragen. Das gilt auch, wenn der Betrieb vorübergehend geschlossen werden muss.“
Denkbar seien außerdem Notkredite für Unternehmen, die durch Corona in eine Schieflage geraten. Oder Entschädigungszahlungen im Nachhinein. „Das können wir uns vorstellen wie nach dem Dürresommer 2018. Bund und Länder haben insgesamt bis zu 340 Millionen Euro gezahlt, um einen Teil der Dürre-Schäden auszugleichen. Solche Maßnahmen wären auch für Corona denkbar.“
Genaue Pläne hierzu hat die Regierung aber noch nicht vorgestellt.
12. Was passiert, wenn ich COVID-19 erkrankt bin?
Wenn ein Beschäftigter wegen einer Infektion mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt und also auch gar nicht arbeiten kann, besteht laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales „ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum von sechs Wochen (§ 3 EFZG). Nach diesem Zeitraum haben gesetzlich Krankenversicherte grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld.“
13. Müssen Arbeitnehmer zu Hause arbeiten, wenn sie in Quarantäne sind?
Wenn es eine Quarantäne gibt, ich aber nicht infiziert bin – also ich könnte theoretisch von zu Hause aus arbeiten – muss ich das dann tun? SWR-Wirtschaftsexperte Alexander Winkler erklärt: „Tatsächlich ja! Zumindest gilt das für alle, die die Möglichkeit dazu haben, das gebietet die sogenannte Treuepflicht zum Arbeitgeber.
Heißt: Wenn ich einen Home-Office-Platz habe, dann muss ich auch unter Quarantäne arbeiten. Wenn ich einen Dienstlaptop und sämtlich Unterlagen habe, dann muss ich theoretisch sogar von der Isolierstation im Krankenhaus ran. Zumindest solange ich nicht infiziert und somit offiziell krankgeschrieben bin.“
Klar, wer an einer Maschine oder am Bau arbeitet, der kann und muss natürlich nicht arbeiten.
14. Wenn ich in Quarantäne muss, bekomme ich dann weiter Geld?
SWR-Wirtschaftsexperte Alexander Winkler sagt: „Ja, da braucht sich niemand Sorgen machen. Wenn die Quarantäne offiziell vom Gesundheitsamt angeordnet wurde (das ist der Knackpunkt hier!), dann zahlt in der Regel ganz normal der Arbeitgeber den Lohn weiter. Das funktioniert wie bei einer Krankheit auch, nur dass bei der Quarantäne der Arbeitgeber sich das Geld im Nachhinein wieder von den Behörden zurückerstatten lassen kann.“
Das gilt auch für Freiberufler und Selbstständige. Leider ist es da nicht ganz so einfach wie bei Angestellten. „Freiberufler und Selbstständige müssen sich nämlich persönlich direkt an das Gesundheitsamt wenden, um eine Entschädigung für ihren Verdienstausfall zu erhalten. Wie viel es genau gibt, wird bei jedem einzeln ausgerechnet, und zwar basierend auf den Jahreseinnahmen, die letztes Jahr beim Finanzamt gemeldet wurden“, so unser Wirtschaftsexperte.
15. Keine Arbeit mehr da – wer muss zahlen?
Der Arbeitgeber trägt das wirtschaftliche Risiko, das beinhaltet auch, dass er die Arbeit, die vertraglich vereinbart ist, zur Verfügung stellen muss. Wenn diese aus Gründen, zum Beispiel wegen einer Epidemie oder höherer Gewalt, nicht möglich ist, trägt er dieses Risiko und muss die Arbeitnehmer trotzdem vergüten“, erklärt Fachanwalt Christoph Vollbrecht in SWR3.
16. Wer trägt das finanzielle Risiko bei Selbstständigen?
Arbeitsrechtler Christoph Vollbrecht: „Wenn es eine behördliche Anordnung, also ein Tätigkeitsverbot nach dem Infektionsschutzgesetzt, haben auch selbstständige Freiberufler die Möglichkeit, Entschädigungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Dies gilt aber nicht, wenn einfach nur aus persönlicher Sorge zuhause geblieben wird.“
17. Darf ich zu Hause bleiben, wenn die Kita wegen Corona zumacht?
„Auf jeden Fall“, sagt SWR-Wirtschaftsexperte Alexander Winkler. Sogar Lohn gibt es in der Regel: „Beschäftigten darf nämlich kein Nachteil entstehen, wenn sie ohne eigenes Verschulden nicht zur Arbeit kommen können. Das ist bei einer Kindergartenschließung wegen Corona wohl der Fall.“
Das gilt natürlich nur, wenn das Kind nicht anderweitig betreut werden kann, es keine Möglichkeit gibt, die Kinder beispielsweise bei den Großeltern unterzubringen. Und unendlich lange geht das auf für arbeitende Eltern nicht: „Maximal fünf Tage, sind okay. Sollte eine Schule oder ein Kindergarten länger zu haben, müssen Eltern sich da die Betreuung also aufteilen“, so unser Wirtschaftsexperte.
18. Muss ich zur Arbeit kommen, wenn Bus und Bahn nicht fahren?
Zur Arbeit zu kommen, muss der Arbeitnehmer selbst organisieren: Also, ja – auch wenn Bus und Bahn nicht fahren, muss ich es hinkriegen, zur Arbeit zu erscheinen. Genauso wie bei einem Streik im Öffentlichen Personennahverkehr auch. Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt:
Das sogenannte Wegerisiko trägt der Arbeitnehmer. Gemeint ist damit, dass es in dem Bereich des Arbeitnehmers liegt, pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen. Gibt es jedoch keine Möglichkeit zur Arbeit zu kommen, kann auch das Gehalt ausbleiben. Eine Abmahnung kommt dann allerdings auch nicht direkt: Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Unpünktlichkeit selbst zu verschulden ist. Anders ist dies nur, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen ausdrücklich eine andere Regelung vorsehen.
19. Kann mein Arbeitgeber mir verbieten, Urlaub in Risikogebieten zu machen?
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber keine Reisen verbieten, das ist Privatsache. Auch nicht in Risikogebiete. Es wäre nur möglich, eine Urlaubssperre zu verhängen – und für diesen Schritt braucht der Arbeitgeber triftige Gründe.
Die Arbeiterkammern weisen allerdings darauf hin, dass man dann auf eigenes Risiko unterwegs ist. Abgesehen von den möglichen gesundheitlichen Folgen einer Reise in ein deklariertes Risikogebiet, „ist auf mögliche Verzögerungen im Zusammenhang mit Flugverspätungen/Annullierungen oder auch Quarantänemaßnahmen im Ausland hinzuweisen. Erreichen ArbeitnehmerInnen auf Grund derartiger Behinderungen ihren Arbeitsplatz in Folge erst verspätet, besteht für die Dauer einer solchen selbstverschuldeten Dienstverhinderung grundsätzlich kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.“